Bewertung des Koalitionsvertrages der großen Koalition

29.11.2013
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Internationale Politik (Außen-, Europa-, Verteidigungs-, Menschenrechts-, und Entwicklungspolitik)

Globale militärische Ordnungspolitik

Vorbemerkung: Der Koalitionsvertrag von 2013 setzt noch stärker als der Vertrag von 2009 auf eine Politik der Militarisierung. Auch nur der geringste Ansatz einer Kultur der Zurückhaltung im Hinblick auf Auslandseinsätze der Bundeswehr ist verschwunden. Dagegen werden zentrale Aufrüstungsprojekte wie NATO-Raketenschild oder EU-Kampfdrohnen befürwortet bzw. geprüft. Die konkrete Forderung nach einem Abzug der US-Atomwaffen wird nicht mehr erhoben. Der Vertrag steht in erster Linie für eine Außenpolitik im Dienste des Kapitals. Im Bereich der Internationalen Politik bedeutet dieser Koalitionsvertrag einen Rechtsruck gegenüber der bisherigen Koalition aus Union und Liberalen. So wird eine deutsche Nichtbeteiligung an NATO-Kriegen wie gegen Libyen in der Vergangenheit mit der Großen Koalition wesentlich unwahrscheinlicher.

 

1.

Leitidee der Großen Koalition in der internationalen Politik ist die reibungslosere Interessen- und Wertedurchsetzung. Um diese zu erreichen, werden die Stärkung von NATO-Bündnisbindung und NATO insgesamt, eine engere EU-NATO-Kooperation und eine effektivere Verzahnung von Außen-, Verteidigungs-, Entwicklungs-, und Menschenrechtspolitik angestrebt.

2.

Deutschland ist auf dem Weg zu einer globalen Mittelmacht bzw. zur Großmacht. Deutsche Außenpolitik wird ganz dem Ziel imperialen Machtzuwachses untergeordnet. Diese Rolle strebt Deutschland nicht im nationalen Alleingang an, sondern durch die Erweiterung des deutschen Gewichts in internationalen Organisationen, zum Beispiel der EU, der UNO, der NATO, der Weltbank, des IWF und weiteren. Dazu sollen die ökonomischen, militärischen und entwicklungspolitischen Potenzen Deutschlands gebündelt und eingesetzt werden. Instrumente zur Erweiterung militärischer Interventionsoptionen, wie die „Responsibility to protect“ sollen völkerrechtlich legitimiert werden. Eine Selbstverpflichtung auf das völkerrechtliche Gewaltverbot in internationalen Beziehungen, wie in der UN-Charta verankert, findet sich im Text nicht. Als wichtiges Teilgebiet geopolitischer Einflussnahme gewinnt, bei aller Bemühung um eine Symbolpolitik der Transparenz, die Fortführung der Rüstungsexporte und der transatlantischen Rüstungszusammenarbeit an Bedeutung. Eine verstärkte deutsche Mitwirkung in der NATO soll dem außenpolitischen Machtzuwachs des Landes dienen.

3.

Die Europäische Union soll weiter ausgebaut, gestrafft und politisch vereinheitlicht werden. Dabei wird auf ein „starkes Europa“ gesetzt, das als Transmissionsriemen und Verstärker nationalstaatlicher Interessen fungieren soll. Im Vordergrund stehen imperiale Machtprojektion und eine Beschleunigung der Militarisierung der EU. Um dies zu befördern, wird auf ein arbeitsteiliges Vorgehen mit der NATO gesetzt. Zudem soll es auch um eine Verstärkung von Polizeieinsätzen und Militärberatungsmissionen, wie auch einen Ausbau der zivil-militärischen Zusammenarbeit gehen. Das ist allerdings eine EU, die die Freiheiten des Kapitals vorrangig vor der sozialen Dimension behandelt, deren Demokratiedefizit sich vertieft, die im Rahmen der Antikrisenstrategie autoritär umgebaut werden soll und die die Eigentumsfrage ausblendet. Ungebrochen wird auf Exportorientierung sowie auf marktradikale Strukturreformen zur Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit gesetzt. Auch künftig sollen die öffentlichen Kassen maßgeblich zur Finanzierung von Krisen und Bankenpleiten herangezogen werden. Die Europäische Rüstungsagentur soll die transatlantische Rüstungszusammenarbeit entscheidend mit vorantreiben. Auch die Anschaffung von EU-Kampfdrohnen soll geprüft werden.

4.

Im Zentrum der deutschen Außenpolitik sollen der Ausbau der transatlantischen Beziehungen und die Stärkung der NATO stehen. Dies beinhaltet sogar die Befürwortung eines NATO-Raketenschildes und damit den Einstieg in ein neues atomares Wettrüsten in Europa gegen Russland. Das ist ein deutlicher Kurswechsel gegenüber der schwarz-gelben Grundlinie der Außenpolitik, die immerhin noch die Verbesserung der Zusammenarbeit mit den BRICS-Staaten und den so genannten „Gestaltungsmächten“ auf die Tagesordnung gesetzt hatte. Ein expliziter Abzug der US-Atomwaffen aus Europa wird nicht mehr gefordert.

5.

Eine Bundeswehr der Auslandseinsätze bleibt die oberste Priorität deutscher Verteidigungspolitik. Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz. Die deutschen Streitkräfte sollen als Mittel deutscher Außenpolitik, inklusive der Auslandseinsätze der Bundeswehr, fungieren. Dabei auch wird auf einen Ausbau der zivil-militärischen Zusammenarbeit gesetzt. Die Förderung der deutschen Außenwirtschaft wird als eine Kernaufgabe deutscher Außenpolitik gefasst. Sie unterstützt und fördert aktiv das Engagement deutscher Unternehmen im Ausland. Ein Ausschluss des Einsatzes der Bundeswehr für außenwirtschaftliche Ziele findet sich im Entwurf nicht wieder. Auch über 2014 hinaus soll die Bundeswehr mit einer Ausbildungsmission in Afghanistan bleiben. Der Parlamentsvorbehalt soll für multinationale Verbände ausgehebelt werden.

6.

Der Koalitionsvertrag formuliert den offensiven Ansatz, stärker in die „Lösung von Krisen und Konflikten“ außerhalb der EU einzugreifen – dies im Sinne deutscher/europäischer (Sicherheits-)Interessen. Ein verstärkter zivil-militärischer Ansatz wird ganz offen formuliert, in den die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) wie selbstverständlich mit aufgenommen wird. Entwicklungszusammenarbeit hat in diesem Sinne vor allem eine Stabilisierungsfunktion. Sie soll Konfliktherde in geostrategisch wichtigen Regionen in Schach halten. Auch auf europäischer Ebene strebt die Koalition an, „die zivilen und militärischen Instrumente der Europäischen Union weiter miteinander zu verknüpfen“. EU-Missionen sollen dabei vorrangig in benachbarten Regionen durchgeführt werden, während man in Afrika regionale Stellvertretereinsätze unterstützen will.

7.

Einer konkreten Auseinandersetzung um die Menschenrechte und ihrer Instrumentalisierung wird ausgewichen. Ein eigener Ansatz zur Stärkung sozialer Menschenrechte fehlt. Dagegen wird auf eine „offene Handelspolitik“ gesetzt, die mit dem Ziel eines Abschluss von Freihandelsabkommen Menschenrechte weltweit gefährdet. Kern dieser Handelspolitik ist das geplante Freihandelsabkommen mit den USA als „eines der zentralen Projekte zur Vertiefung der transatlantischen Beziehungen.“ Die Verhandlungen sollen erfolgreich zum Abschluss geführt werden mit dem Ziel, „bestehende Hindernisse in den transatlantischen Handels‐ und Investitionsbeziehungen so umfassend wie möglich abzubauen.

Wahlaussagen versus Koalitionsvertrag

Mit dem konkreten Prüfauftrag für die Anschaffung von Kampfdrohnen wie auch mit der Befürwortung des NATO-Raketenschildes und damit eines neuen atomaren Wettrüstens geht die SPD weit über ihre Wahlaussagen hinaus. Die Fixierung auf die NATO und die aggressive NATO-Strategie wie auch eine Frontstellung gegen Russland wird im Koalitionsvertrag noch stärker akzentuiert als im SPD-Wahlprogramm. Im Punkto parlamentarische Kontrolle von Rüstungsexporten gibt es, anders als von der SPD gefordert, keine Fortschritte. In Puncto Großmachtpolitik, Kapitalorientierung, Freihandelsabkommen mit den USA und Militarisierung der Außenpolitik gibt es eine Kongruenz der Wahlaussagen von CDU/CSU und SPD mit dem Koalitionsvertrag.

Linke Alternativen

1. Leitidee: DIE LINKE steht gegen jede Großmachtpolitik. DIE LINKE ist die Partei des Völkerrechts. Wir sehen in den Vereinten Nationen das zentrale Organ für die friedliche Verständigung zwischen den Staaten und Gesellschaften. Das Gewaltverbot, wie es die UNO-Charta vorsieht, muss gestärkt werden.

2. DIE LINKE setzt auf eine friedliche Außenpolitik, dies beinhaltet die Absage an deutsche Kriegsbeteiligungen inklusive Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr.

3. DIE LINKE steht für einen Neustart der EU. Wir wollen eine soziale EU, die die weitere Verarmung durch die Einführung hoher Arbeits- und Sozialstandards entschieden bekämpft. Der Banken- und Finanzsektor ist strikt zu regulieren, in öffentliche Hand zu überführen und über Bankenabgaben an der Finanzierung der Krisenüberwindung zu beteiligen. Wir wollen darüber hinaus eine zivile und friedliche EU, die nicht weiter auf die Militarisierung sondern auf zivile Kooperation setzt.

4. DIE LINKE steht für die Auflösung der NATO und ihre Ersetzung durch ein kollektives Sicherheitssystem. Als ersten Schritt dazu wollen wir den Austritt aus den militärischen Strukturen der NATO und die Schließung aller ausländischen Militärbasen in Deutschland.

5. DIE LINKE ist die Partei der radikalen Abrüstung, die auch mit einseitigen Schritten im eigenen Land verbunden ist, einschließlich des Verbots von Rüstungsexporten. Wir wollen keine Armee im Einsatz und setzen bei der Verteidigungspolitik auf die Schaffung struktureller Nichtangriffsfähigkeit und eine radikale Verkleinerung der Bundeswehr.

6. DIE LINKE setzt auf eine Entmilitarisierung der Entwicklungszusammenarbeit. Gerechtigkeit in den internationalen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen ist eine direkte Vorbeugung vor Armut, Gewalt und Krieg.

7. Die LINKE wendet sich gegen die Instrumentalisierung von Menschenrechten für „humanitäre Militärinterventionen“ und lehnt Freihandelsabkommen gerade wegen ihrer Gefährdung von Menschenrechten ab.

Arbeitskreis VI - Außenpolitik und internationale Beziehungen - der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag, Berlin 29. November 2013

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