Der Verantwortung Deutschlands im Nahen Osten nachkommen

Rede von Wolfgang Gehrcke bei der 173. Sitzung des Deutschen Bundestages am 2. Juni 2016 zum UNIFIL-Einsatz der Bundeswehr im Libanon
03.06.2016
Printer Friendly, PDF & Email

Danke sehr, Frau Präsidentin. - Ich bitte Sie: Erinnern Sie sich zurück an das Mandat 2006, durch Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen begründet. Insofern stellt sich nicht die Frage, ob das Mandat völkerrechtlich begründet ist - das ist es - und erlassen worden ist. Schauen Sie sich ein bisschen selbstkritischer an, was seitdem passiert oder nicht passiert ist.

Ich war 2006 in Beirut, nachdem der Libanon von Israel mit Raketen angegriffen worden ist und ein Teil des Libanons von der israelischen Armee abgeriegelt worden ist. In Beirut hat man sehr genau gemerkt, dass die Raketen gezielt auf die schiitischen Stadtviertel abgeschossen worden sind und nicht auf die christlichen Stadtviertel. Mir ist das im Grunde wurscht, weil ich überhaupt nicht möchte, dass Raketen auf Menschen abgeschossen werden. Das ist das Entscheidende.

Bei dem Mandat selbst lautete die Begründung - die fand ich akzeptabel -, dass wahrscheinlich der Krieg Israels gegen den Libanon und die Abriegelung des Libanons nur über eine Aktion der Vereinten Nationen zu stoppen sind. Das war die Ausgangslage. Bei dieser Ausgangslage muss man sich natürlich fragen: Warum ist es eigentlich so zwingend notwendig, dass sich Deutschland auch im Nahen Osten an solchen Aktionen mit militärischen Formationen beteiligt? Ich halte das für falsch, ich halte das für grundfalsch.

(Beifall bei der LINKEN - Zurufe von Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich glaube, dass Deutschland im Nahen Osten sehr viele andere Aufgaben hat statt solcher militärisch begründeten Aktionen. Meine Sorge war auch: Wenn man das einmal begonnen hat, wird man sich bei anderen Konflikten nur schwer raushalten können.

(Ingo Gädechens (CDU/CSU): Das nennt man kompromissfähig!)

- Ja, ich möchte, dass wir uns raushalten. Ich möchte, dass zu einer Politik der militärischen Zurückhaltung zurückgekehrt wird. Das ist mir sehr wichtig.

(Beifall bei der LINKEN)

Deswegen haben wir gesagt: Es gibt eine Begründung der Vereinten Nationen. Aber es gibt keine Begründung dafür, warum Deutschland an diesem Mandat militärisch beteiligt sein muss.

(Gabi Weber (SPD): Ja, was denn nun? UN-Mandat oder deutsche Beteiligung?)

- Ja, die UN sind auch ohne Deutschland handlungsfähig. Warum wollen Sie auch über die Vereinten Nationen immer deutsche Großmachtpolitik durchsetzen? Es gibt sehr viele andere Möglichkeiten.

(Henning Otte (CDU/CSU): Akzeptieren Sie doch die Wünsche der Betroffenen! - Florian Hahn (CDU/CSU): Waren Sie schon mal da? Das ist „Großmachtpolitik“? Das ist ja lächerlich!)

- Ja, ich war häufiger im Libanon.

Sie sehen, dass ein Schritt den anderen nach sich zieht. Mittlerweile sind wir über den Tornado-Einsatz auch in Syrien militärisch beteiligt. Wir haben übrigens diese Woche beim Verfassungsgericht unsere Klage gegen den Tornado-Einsatz eingereicht.

(Florian Hahn (CDU/CSU): Gratulation!)

Ich bin mir sehr sicher, dass das Verfassungsgericht nicht die Position der Bundesregierung bestärken wird.

Wir möchten auch angesichts der deutschen Geschichte, dass Deutschland sich zumindest im Nahen Osten komplett aus Militäraktionen raushält.

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN - Gabi Weber (SPD): Am besten raus aus der UNO!)

Wenn Sie es wollen, dann gibt es genügend andere Möglichkeiten, den Libanon zu unterstützen, die aber alle nicht genutzt werden. Man könnte im Libanon sehr viel mehr machen, um Vermittlungsgespräche zu führen.

(Ingo Gädechens (CDU/CSU): Das machen wir nebenbei!)

Ich weiß, dass Sie - gerade auch die SPD - in Ihrer Außenpolitik verdeckt immer mit der Hisbollah reden und verhandeln. Das finde ich eigentlich ganz in Ordnung, dass Sie das machen.

(Florian Hahn (CDU/CSU): Aber nur die SPD!)

- Verdeckt; Sie machen es ja nicht offiziell.

Ich finde es ganz in Ordnung, dass man alle Möglichkeiten nutzt, um von der Gewalt wegzukommen.

(Franz Thönnes (SPD): Du bist ja ein verdeckter Versprecher, du!)

- Ja, verdeckt machen Sie das. Sie sagen ja nicht: „Wir reden mit der Hisbollah“, sondern „Wir reden mit der Regierung“ oder „Wir reden mit dem Parlament“. Darin sitzen sie aber mit 40 Prozent der Mandate.

(Florian Hahn (CDU/CSU): Wann saßen die denn da?)

Das wissen Sie doch auch. Sie bekennen sich aber nicht zu dem, was man an Politik betreiben muss.

Ich bitte Sie sehr, das Mandat nicht zu verlängern und mit Israel deutlicher darüber zu reden, dass Israel aus dieser Zwangssituation rauskommen muss. Das ist doch das Entscheidende: dass man stärker auf die Politik setzt als auf das Militär. Und zumindest im Nahen Osten sollte sich Deutschland komplett raushalten. Sie kommen sonst in eine Situation, die auch Sie nicht mehr bewältigen.

Danke.

(Beifall bei der LINKEN)