Das ist ein Aufrüstungshaushalt

Rede im Bundestag am 7.9.2016 zum Haushaltsentwurf 2017 der Bundesregierung
07.09.2016
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Wolfgang Gehrcke

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Nach meiner Wahrnehmung trägt die Bundesregierung eine Mitschuld an millionenfacher Flucht und Vertreibung in dieser Welt,

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

das will ich hier aussprechen.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie tragen eine Mitschuld. Es war die rot-grüne Bundesregierung, die mit dem Jugoslawien-Krieg das Tabu deutscher Kriegsbeteiligung gebrochen hat, und deutsche Politik ist leider auch Kriegspolitik geworden. Kriegspolitik ist der Hauptgrund für Flucht weltweit. Wer die millionenfache Flucht stoppen will, muss Kriege stoppen und Schluss machen mit Rüstungsexporten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das ist die einzige Schlussfolgerung daraus, die eine Logik hat.

Die Linke will alle Auslandseinsätze der Bundeswehr beenden und möchte die deutschen Soldaten zurückholen. Wir werden keinen Auslandseinsätzen zustimmen, und wir wollen die Rüstungsexporte verbieten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das wäre eine Politik, die einen Ausweg aus diesem Dilemma weisen würde.

(Elisabeth Motschmann (CDU/CSU): Deshalb sind Sie niemals regierungsfähig!)

- Ja, die Regierungsfähigkeit. Mit einer Misspolitik ist man immer regierungsfähig. Das beweisen Sie doch.

(Beifall bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU/CSU - Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Also wirklich!)

Nachhaltige Entwicklungshilfe ist aus meiner Sicht unverzichtbar. Wenn wir uns ernsthaft damit beschäftigen, dass die ODA-Quote (Official Development Assistance oder Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit) von 0,7 Prozent immer noch nicht erreicht worden ist, muss uns das doch dazu bringen, darüber nachzudenken, ob wir nicht die Fluchtursachen durch unser Verhalten erst schaffen bzw. verstärken. Auch davon will ich weg.

Ich halte es des Weiteren für einen unglaublichen Tabubruch, dass von der EU Gelder, die für Entwicklungshilfe vorgesehen waren, für Militärausgaben verwendet werden. Das ist so zynisch! Die Bundesregierung hat der EU das durchgehen lassen.

Ich denke auch, dass man darüber nachdenken muss, dass auch von Deutschland der Terror der Ökonomie, der Krieg der Reichen gegen die Armen der Welt ausgeht.

(Karl-Georg Wellmann (CDU/CSU): Haben Sie es nicht eine Nummer kleiner?)

Nur ein Beispiel: Es sind die riesigen, von der EU subventionierten Trawler, die die westafrikanischen Küstengewässer längst überfischt haben. Kofi Annan hat das auf den Begriff gebracht: Organisierter Diebstahl, maskiert als Handel. - Organisierter Diebstahl, maskiert als Handel! Das finde ich eine durchaus zutreffende Beschreibung.

(Beifall bei der LINKEN)

An diesem Diebstahl ist auch unser Land beteiligt.

Für mich kommt im vorliegenden Haushaltsentwurf zum Ausdruck: Er verschärft und verstetigt die Ursachen von Flucht und Vertreibung, er fördert Konfrontation, es handelt sich um einen Aufrüstungshaushalt und nicht um einen Abrüstungshaushalt - das muss hier völlig klar gesagt werden -,

(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)

und er verschärft die soziale Ungleichheit. Meine Fraktion will weder eine militärische NATO - dagegen kämpfen wir -, noch wollen wir eine wirtschaftliche NATO. Aber mit TTIP soll eine wirtschaftliche NATO geschaffen werden. Es gibt von uns die klare Aussage, dass wir das nicht mitmachen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will hier auch noch einmal das Verhalten der Bundesregierung gegenüber Erdogans Kritik an der Armenien-Resolution des Bundestages ansprechen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich finde, Sie haben sich dieser Kritik unterworfen. Das ist beschämend. Ich finde, dass man sich gegen das deutsche Parlament an die Seite eines Diktators gestellt hat. Das ist empörend.

(Beifall bei der LINKEN)

Mir fällt dazu - entschuldigen Sie den Ausdruck - nichts Besseres ein, als zu sagen: Die ganze arschkriecherische Debatte hat mich als Abgeordneten dieses Parlamentes ungeheuer getroffen und empört.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Andere Sprache bitte, Herr Gehrcke!)

Kein Selbstbewusstsein, sondern Unterordnung! Und das leider unter einem sozialdemokratischen Außenminister.

(Beifall bei der LINKEN - Heike Hänsel (DIE LINKE): Leider! Leider!)

Ich will noch einmal ansprechen, wie Sie mit der Frage der Atomrüstung umgehen. Ich habe natürlich mit Vergnügen gehört, dass Sie vorschlagen, die Frage der Rüstungskontrolle wieder auf die Tagungsordnung zu bringen. Sehr gut! Unter dem FDP-Außenminister Westerwelle stand im Koalitionsvertrag noch die Absicht, die USA zum Abzug ihrer Atomwaffen aus Deutschland aufzufordern. Diese Absicht wurde nicht verwirklicht. Aber unter Ihrer Leitung, Herr Steinmeier, geht die ganze Politik in eine andere Richtung: Die US-Atomwaffen werden nicht abgezogen, sondern die Atomwaffen werden weiter modernisiert. - Sieht so sozialdemokratische Abrüstungspolitik aus? Ich kann es nicht verstehen.

Ich halte es für eine katastrophale Planung der Bundesregierung, den Rüstungsetat entsprechend den Vorgaben der NATO auf 2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes hochzutreiben. Das sind 60 Milliarden pro Jahr. Die Bundeskanzlerin will es dabei nicht belassen. Sie träumt von einem Rüstungsetat, der proportional dem der USA entspricht. Das hieße nicht nur 2, sondern 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. In Beträgen ausgedrückt wären das für Deutschland 105 Milliarden pro Jahr.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Wo haben Sie denn dies aufgeschnappt?)

Die Linke fordert, dass der Rüstungsetat bereits in diesem Jahr kategorisch und konsequent und sofort um mindestens 6 Milliarden Euro gekürzt wird. Wir wollen raus aus der dauernden Aufrüstung. Warum kann dieses Parlament nicht endlich einmal ein Signal für Abrüstung setzen?

(Beifall bei der LINKEN)

6 Milliarden Euro sofort streichen wäre ein solches Signal. Das langt zwar nicht aus, wäre aber ein Einstieg.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich möchte, ehrlich gesagt, die sozialdemokratischen Kollegen abschließend bitten: Lesen Sie einmal die Papiere von Willy Brandt zum Nord-Süd-Konflikt. Da können Sie etwas über globale Gerechtigkeit lernen. Lesen Sie die Papiere von Egon Bahr zur Ostpolitik. Auch daraus kann man viel lernen. Ich würde mir eine sozialdemokratische Fraktion wünschen ‑ man bekommt seine Wünsche ja nicht immer erfüllt ‑, die sich in der Nord-Süd-Politik nicht nur auf Willy Brandt beruft, sondern auch so handelt, und sich in ihrer Ostpolitik an Egon Bahr orientiert. Wenn Sie dann noch abrüsten, könnte man über manches reden. So wie es ist, geht es leider nicht. Das war nur ein Wunsch von mir.

Danke sehr.

(Beifall bei der LINKEN)