Schnee auf dem Roten Platz

27.10.2016
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Reisetagebuch (1) - Moskau, 27. Oktober 2016

Pünktlich mit unserer Ankunft – wir, das sind Michael Schlick, der Pressesprecher der Linksfraktion, mein Kollege Hartmut Hübner und ich – begann es in Moskau zu schneien. Schnee plus Kälteeinbruch – Eiszeit nicht nur auf den Straßen. Eiszeit herrscht leider auch seit Längerem in den deutsch-russischen Beziehungen. Nachdem in Deutschland Russland, oder besser „die Russen“ wieder für alles verantwortlich gemacht werden, was nicht gut läuft in der Welt, und das Gerede von immer neuen Sanktionen kein Ende nimmt, werden auch die russischen Reaktionen zunehmend frostiger. Man hat hier die Nase voll, um es salopp zu sagen.

Da für mich völlig klar ist, dass weder in der Ukraine noch in Syrien eine Konfliktlösung ohne Russland denkbar ist, bin ich nun wieder in Moskau, um Informationen einzuholen, um über die Entwicklung der deutsch-russischen Beziehungen zu reden, um Meinungen auszutauschen. Die Duma, das russische Parlament, ist neu gewählt – das heißt konkret, dass auch eine Vielzahl ganz „neuer“ Abgeordneter jetzt im Parlament sitzt. Einige meiner alten Bekannten sind nicht mehr dabei oder haben neue Aufgaben übernommen. Ich bin sehr gespannt auf die Gespräche in der Duma morgen.

In den Moskauer Think-Tanks ist die Stimmung zur Situation in Syrien knallhart und in einem hohen Grade, wie behauptet wird, realistisch. ‚Es wird keinen nichtmilitärischen Abschluss geben‘, höre ich vom Nahost-Experten Satanowski, der als Rundfunkkommentator zum Thema vielfach gefragt ist. Es scheint so, als ob ausschließlich eine militärische Entscheidung denkbar ist. Doch auch bei militärischen Entscheidungen wird eben letztlich die Diplomatie maßgeblich über Sieg oder Niederlage bestimmen. Die russische Syrienpolitik ist nicht einseitig, aber Russland trägt eine hohe Last und der Ärger über den „Westen“ ist in der Bevölkerung tief verankert. Woher kommt das Geld für die Islamisten - für Waffen, für die Entlohnung der Söldner, für die militärische Ausbildung und vieles mehr, werde ich gefragt. Das Geld kommt, so meine Kenntnisse, von reichen Familien aus Saudi-Arabien, aus Katar, aus der Türkei und weiteren Förderern eines radikalen Islamismus. All das diskutieren wir auch im Deutschen Bundestag und wird noch weiter, vor allem ernsthafter zu diskutieren sein. Bei so vielem Nachdenken über Kriege und Krisen ist meine Freude, einmal wieder in Moskau im Schnee spazieren zu gehen, fast erstickt.