Bericht zur Reise nach Nicaragua vom 8. bis 13. Januar 2017

13.02.2017
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Wolfgang Gehrcke

Anlass der Reise war die Einladung der Regierung der Republik Nicaragua zur Teilnahme an dem Festakt zur Amtseinführung des am 7. November 2016 erneut zum Präsidenten gewählten Daniel Ortega. Zum viertägigen Programm, das von der deutschen Botschaft mitorganisiert wurde, gehörten auch der Besuch des deutschen Unternehmens Dräxlmeier, die Besichtigung einer deutschen Schule in Managua und eines EZ-Projektes zur Wasseraufbereitung sowie Gespräche mit Abgeordneten der Nationalversammlung Nicaraguas und dem Präsidenten Daniel Ortega.

 

Überblick über die Besuche und Projekte im Rahmen der Dienstreise:

9. Januar 2017: Besuch des deutschen Unternehmens Dräxlmeier Plant Masaya

10. Januar 2017: Besuch der deutschen Schule Colegio Alemán-Nicaraguense

10. Januar 2017: Festakt zur Amtseinführung des Präsidenten Daniel Ortega

11. Januar 2017: Besuch der Kläranlage

11. Januar 2017: Gespräch mit Abgeordneten der Nationalversammlung

12. Januar 2017: Gespräch mit Vertretern der deutschen Gemeinschaft

12. Januar 2017: Gespräch mit Daniel Ortega

 

Besuch des deutschen Unternehmens Dräxlmeier Plant Masaya am 9. Januar 2017

Der in 60 Ländern produzierende Automobilzulieferer Dräxlmeier beschäftigt auf 16.000 Quadratmetern in der Kleinstadt Nindirí, 25 km südöstlich der Hauptstadt in der Provinz Masaya, 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und gilt als das größte in Nicaragua produzierende Unternehmen aus Europa. Das auf die Endfertigung von Kabelbäumen für hochwertige Autos spezialisierte Unternehmen setzt dabei fast ausschließlich auf lokales Personal; so stammen lediglich 4 der 1500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Deutschland. Die Mitarbeiter, die im Durchschnitt 26 Jahre alt sind, werden vor Beginn ihrer Tätigkeit in einem einmonatigen Vorbereitungskurs umfassend geschult und erhalten nach 3monatiger Tätigkeit einen unbefristeten Vertrag. Obgleich mit dieser Ausbildung zunächst hohe Investitionskosten verbunden sind, rechnet sich nach Aussage des deutschen Betriebsdirektors Tobias Neumann aufgrund der im internationalen Vergleich niedrigen Lohnkosten die Produktion in Nicaragua, zumal Dräxlmeier zollfrei importieren und exportieren kann. Vorteilhaft wirken sich dabei die gute Infrastruktur (Straßen, Wasser, Strom) aus, sowie die für Investoren sicheren und vorteilhaften Rahmenbedingungen. Dazu gehören neben den geringen Lohnkosten eine junge und motivierte Bevölkerung, eine stabile Währung und eine niedrige Gewalt-Kriminalitätsrate. Verantwortlich für die relativ wenigen Gewaltverbrechen sind dabei nach Auffassung des Unternehmensdirektors zum einen die negativen Gewalterfahrungen nach dem Bürgerkrieg und zum anderen eine an den lokalen Erfordernissen angepasste Polizeirekrutierungspraxis, die eine hohe Aufklärungsrate ermöglicht.

Vor diesem Hintergrund und aus wirtschaftlichen Gründen hat sich Dräxlmeier daher auch dazu entschieden, das Fabrikgelände zu erwerben und sich somit langfristig an Nicaragua als Produktionsstätte zu binden. Dräxlmeier, das als eines der Aushängeschilder ausländischer Unternehmen in dem zentralamerikanischen Land gilt, profitiert bei seiner Tätigkeit auch von guten Beziehungen zur nicaraguanischen Regierung und den zuständigen Behörden. Schwierigkeiten bereiten laut dem Unternehmensdirektor lediglich die zeit- und arbeitsaufwendigen Zollvorschriften sowie die nicht vorhandenen Müllverwertungs- und Recyclingmöglichkeiten.

 

Besuch der deutschen Schule Colegio Alemán-Nicaraguense am 10. Januar 2017

Die etwa 10 km südlich vom Stadtzentrum von Managua gelegene deutsche Schule wurde 1967 gegründet und nahm ein Jahr später ihren Betrieb auf. Das Colegio Alemán-Nicaraguense umfasst heute einen Kindergarten, eine Grundschule sowie die Sekundarstufe. Insgesamt sind zurzeit 900 Kinder und Jugendliche in der deutschen Schule eingeschrieben und werden von 74 Lehrerinnen und Lehrern betreut. Dabei stammen 65% des Lehrpersonals aus Nicaragua und 35% aus deutschsprachigen Ländern. Nach Aussage des Schulleiters Ulrich Gissel kommen die Schülerinnen und Schüler mehrheitlich aus der gewachsenen Mittelschicht des Landes und müssen monatliche Kindergarten- bzw. Schulgebühren von ca. 350,- US-Dollar entrichten. Trotz dieser Summe, die einem durchschnittlichen Monatsgehalt entspricht sowie den Einschreibungskosten in Höhe von 1300,- US Dollars gilt das Colegio Alemán-Nicaraguense nach Einschätzung von Gissel auch im Vergleich mit anderen internationalen Schulen nicht als Eliteeinrichtung und ist durch sein Stipendienvergabesystem auch für Schülerinnen und Schüler aus unteren sozialen Schichten offen.

Trotz des im Vergleich zum nationalen Schulsystem um ein Jahr längeren Abiturs gilt die deutsche Schule als karrierefördernd und als Schlüsselqualifikation für eine spätere Tätigkeit im Ausland. Obgleich im letzten Jahr 19 von 27 Schülerinnen und Schülern der Abschlussklasse nach Deutschland ausgereist sind, gelten die USA nach wie vor aufgrund der geographischen Nähe und der familiären Bindungen auch für die Schüler des Colegio Alemán-Nicaraguense als erste Wahl. Als drängendste Probleme berichtete Schuldirektor Gissel darüberhinaus von den Schwierigkeiten bei der Suche und Anstellung von qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern aus Deutschland sowie von den wirtschaftlichen Folgen der aufgrund des Versorgungsausgleiches notwendigen Sparmaßnahmen. Erfreut äußerte sich Gissel zum Abschluss über die guten Beziehungen zum Bildungsministerium in Managua und den politischen Verantwortlichen im Land.

 

Festakt zur Amtseinführung des Präsidenten Daniel Ortega am 10. Januar 2017

Der  am 6. November 2016 bei einer Wahlbeteiligung von 68,2 Prozent mit 72, 5 Prozent der Stimmen wiedergewählte Präsident Daniel Ortega wurde am 10. Januar 2017 in seinem Amt vereidigt. An der Zeremonie zur Vereidigung in Managua zwischen Präsidenten- und Kulturpalast nahmen zehntausende Menschen teil. Von der Ehrentribüne verfolgten die Staatschefs und Präsidenten von Honduras, Bolivien, Venezuela, Taiwan und El Salvador den Staatsakt, anwesend waren auch die Außenminister von Guatemala und Ecuador, Kubas Vizepräsident Miguel Diaz-Canel sowie weitere hochrangige Delegationen aus Mittel- und Südamerika. Auch Minister aus Russland und Japan sowie Repräsentanten aus Saudi-Arabien, Türkei, Spanien und dem Vatikan nahmen teil.

Die Übergabe der Ämter an Ortega und die neue Vizepräsidentin Murillo erfolgte durch den neugewählten Parlamentspräsidenten. In seiner rund eineinhalbstündigen Rede verwies Ortega auf die Geschichte des Landes und die Anstrengungen zur Erreichung und Verteidigung des Friedens im Land. Er ging auch auf die Bedeutung des linksgerichteten Staatenbundes ALBA und die Kooperation der Staaten Lateinamerikas ein. Kuba und Venezuela dankte er für ihre solidarische Unterstützung.

 

Besuch der Kläranlage am 11. Januar 2017

Die im Jahr 2009 in Betrieb genommene Wasseraufbereitungsanlage im Osten von Managua gilt als einmalig in Mittelamerika. Die Pläne zu ihrem Bau datieren aus dem Jahr 1996 und wurden von der damaligen Präsidentin Violetta Chamorro und Bundespräsident Roman Herzog konkretisiert, der für den Bau 36 Millionen US-Dollar bereitstellte. Bis heute wurden insgesamt 86 Millionen US-Dollar investiert, die neben der vom BMZ und der KfW bereitgestellten Summe von der Interamerikanischen Entwicklungsbank sowie der Regierung Nicaraguas stammten.

Das Ziel dieses Großprojektes ist die Wiederaufbereitung der aus der Industrie und aus Privathaushalten stammenden Abwässer, die bis zum Jahr 2009 ungefiltert in den Managua-See eingeleitet wurden und gesundheitliche Schäden bei mehr als 100.000 Anwohnern hervorriefen. Die Kläranlage, die eine Effizienz von 92-94% besitzt, hat sichtbar zur Gesundung des Sees von Managua, der das größte Trinkwasserreservoir Lateinamerikas ist, beigetragen und gilt auch aufgrund seiner relativ geringen Investitionskosten als Modellprojekt für die Region und besonders für die Nachbarländer El Salvador und Costa Rica. Die Aufbereitungsanlage, die nicht zur Gewinnung von Trinkwasser ausgelegt ist, beschäftigt mehr als 50 Mitarbeiter und ist das Vorzeigeprojekt der deutschen Entwicklungshilfe in Nicaragua, das weitere Projekte nach sich gezogen hat. So wird zurzeit in der bei Touristen äußerst beliebten Kolonialstadt Granada ein ähnliches Projekt mittels einer von der KfW in Höhe von 17 Millionen US-Dollar geleisteten Anschubfinanzierung umgesetzt, dass die erheblichen sanitären Probleme der 120.000 Einwohner zählenden Stadt weitestgehend lösen soll. Die Kläranlage von Managua selbst soll nach Angaben der Vertreter der städtischen Wasserwerke und des britischen Betreibers Biwater International in nächster Zeit mit einer Biogasanlage ausgerüstet werden, um die bisherigen Energiekosten zum Betrieb der Anlage entscheidend zu senken. Um die Wirtschaftlichkeit des Projektes zu gewährleisten und die herausgefilterten Abfälle weitestgehend zu recyceln, werden bereits jetzt die biologischen Abfälle in Naturdünger umgewandelt und kommerzialisiert.

Neben der realen Verbesserung der Gesundheitslage der Anwohner hat dieses Projekt entscheidend dazu beigetragen, die Lebensqualität rund um den zweitgrößten See des Landes zu verbessern. In der Folge hat die von der FSLN geführte Regierung sich dazu entschieden ein umfangreiches Projekt zur Neugestaltung und zum touristischen Ausbau eines Teiles des Ufers des Nicaragua-Sees durchzuführen, um die wirtschaftliche und gesellschaftliche Attraktivität des Sees zu erhöhen.

 

Gespräch mit Abgeordneten der Nationalversammlung am 11. Januar 2017

Im Mittelpunkt des einstündigen Gesprächs mit zwei Parlamentarierinnen der Regierungspartei FSLN stand ein Austausch über die Funktionsweise der jeweiligen Parlamente und ihre Aufgaben. Weitere Themen waren zudem die Partizipation von Frauen an politischen Ämtern und ihre Repräsentanz im Parlament sowie die Möglichkeiten einer Vertiefung der Beziehungen zwischen der nicaraguanisch-deutschen Parlamentariergruppe und der Deutsch-Mittelamerikanischen Parlamentariergruppe.

 

Gespräch mit Vertretern der deutschen Gemeinschaft in der Residenz der Deutschen Botschafterin am 12. Januar 2017

Auf Einladung der deutschen Botschafterin Ute König fand am letzten Abend der Reise ein Gespräch mit Vertretern deutscher Tourismusunternehmen, Kulturvereine, Bildungseinrichtungen und der Wirtschaftsvereinigungen statt. Die zentralen Themen des zweistündigen Abendessens in der Residenz der Deutschen Botschaft waren der Ausbau der touristischen Infrastruktur und die Möglichkeiten zur Steigerung der bisherigen Investitionen aus Deutschland. Hierzu bemerkte der Präsident der deutsch-nicaraguanischen Handelskammer, Angel Morales, dass ein wichtiger Schritt zur Koordinierung der bisherigen und geplanten Investitionsvorhaben eine Vergrößerung der bisherigen Räumlichkeiten der Cámara de Comercio e Industria Nicaragüense Alemana sei. Konkret verwies Morales dabei auf die Bemühungen seiner Organisation zum Erwerb einer zurzeit leer stehenden und sich im Besitz der Bundesrepublik Deutschland befindliche Immobilie und bat mich um Unterstützung in dieser Angelegenheit. Mit dem emeritierten Bischof von Granada, Bernhard Hombach, sprach ich über die Rolle der Kirche und ihr Verhältnis zur sandinistischen Regierung. Für mich überraschend war dabei sein klares Bekenntnis zur Trennung von Staat und Kirche und zur ihrer sozialen Verantwortung.

 

Gespräch mit Daniel Ortega am 12. Januar 2017

Zu Beginn des Gespräches ging es um die gegenseitigen Einschätzungen zur Entwicklung Lateinamerikas nach dem Wahlsieg von Donald Trump und der am gleichen Tag erfolgten Ankündigung von Obama, die US-Migrationspolitik gegenüber Kuba neu zu gestalten. Darüber hinaus zeigte sich Ortega besonders an den Perspektiven der Europäischen Union nach dem Brexit und an den innenpolitischen Entwicklungen in Deutschland im Vorfeld der Bundestagswahl interessiert.

Ein weiteres zentrales Thema des Treffens war die Entwicklung der Linken in Lateinamerika. Dabei betonte Ortega, dass die Linke in Lateinamerika trotz unterschiedlicher Auffassungen sehr produktiv zusammenarbeite und eine Vertiefung der Kooperation mit den karibischen Staaten anstrebe. Als wichtigen Konsultationsmechanismus betonte Ortega in diesem Kontext das Foro Sao Paulo und bat um die Teilnahme von deutschen Abgeordneten und Funktionsträgern am nächsten Foro Sao Paulo, das am 19. Juli 2017 in Managua stattfinden soll. Nach Aussage von Ortega soll das Sao Paulo Forum künftig eine größere Rolle spielen und die gewünschte Teilnahme von hochrangigen Vertretern aus Lateinamerika und Europa dazu beitragen die politischen Kontakte zwischen beiden Regionen zu vertiefen und zu intensivieren.

Zum Abschluss des Gespräches wurde über die bisherige deutsche EZ in Nicaragua gesprochen und vom Präsidenten die positive Rolle der deutschen Bundesregierung betont. In diesem Kontext erwähnte Ortega den Besuch des ehemaligen Staatsministers Hoyer und begrüßte die gute und konstruktive Zusammenarbeit mit der Regierung von Angela Merkel. Auch fanden die mit deutscher Hilfe gebauten Klärwerke in Managua und Granada besondere Erwähnung. Ortega äußerte auf die Frage nach künftigen Projekten den Wunsch nach Unterstützung für die geplanten Straßenbauprojekte in Managua, die den Verkehrsfluss befördern sollen und in etwa einen Finanzierungsbedarf von 250 Mio. $ aufweisen.

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