Russlandhasser contra Putinversteher

Deutsche Russlandpolitik in den EU-Wahlprogrammen
06.05.2019
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Die deutsche Russlandpolitik nimmt in den Wahlprogrammen der Bundestagsparteien zum EU-Parlament einen eigenen Platz ein. Das verwundert etwas, denn in allen Wahlprogrammen, das der LINKEN streckenweise eingeschlossen, wird der gleiche grundlegende Fehler gemacht, die EU mit Europa gleichzusetzen. Die nüchterne Feststellung, dass die EU nicht identisch mit Europa ist, hat sich offensichtlich noch nicht überall herumgesprochen. Auf diese Art und Weise werden Russland, Belarus und weitere Staaten aus einem politischen Nachdenken über Europa ausgegrenzt und das setzt sich Stück für Stück ins Alltagsbewusstsein fort als eine Art länderübergreifender Westeuropa-Nationalismus.

Die Erkenntnis, dass Sicherheit in Europa nur mit und nicht gegen Russland zu erreichen ist, findet sich in allen Wahlprogrammen der Bundestagsparteien. Das ist richtig, aber weder sensationell noch konkret. SPD, GRÜNE, CDU/CSU und FDP verurteilen in ihren Wahlprogrammen das Vorgehen Russlands auf der Krim, DIE LINKE stimmt in diesen Chor nicht ein, sie schweigt dazu. SPD, CDU/CSU, FDP und GRÜNE wollen unbedingt an den Sanktionen gegen Russland festhalten und die EU darin bestärken. Die AfD sieht die Sanktionen als „nicht zielführend“ an und setzt sich für deren Abbau ein. DIE LINKE ist für die Aufhebung der Sanktionen. Sechs Bundestagsparteien, einschließlich der AfD, halten an militärischer Aufrüstung für ein starkes Deutschland fest. Ausschließlich DIE LINKE setzt auf Abrüstung. Wiederum sechs Bundestagsparteien bekennen sich zur Bundeswehr und ausdrücklich zur deutschen Verankerung in der NATO. Die NATO auflösen will einzig und allein DIE LINKE.

Im direkten Vergleich mit den anderen Bundestagsparteien fällt auf, dass es kaum und wenn ja, nur in isolierten Einzelforderungen Überschneidungen von der LINKEN und den anderen Bundestagsparteien zur Russlandpolitik gibt. Vor allem aber hat offensichtlich nur DIE LINKE eine schlüssige Konzeption zur europäischen und globalen Friedenspolitik, die sie zudem prominent zum Ausgangspunkt ihres Europawahlprogramms gemacht hat – wie in Anlehnung an Willy Brandt: Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts. Man mag mit der Friedenspolitik der LINKEN nicht immer zufrieden sein, aber im direkten Vergleich mit den EU-Wahlprogrammen der anderen Bundestagsparteien ist ihre Idee von Frieden als Prozess von Gleichheit, Demokratie, internationalem Recht, sozialer Gerechtigkeit, ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit ein auffälliges Merkmal ihrer Europapolitik, die so besehen dann tatsächlich mehr im Blick hat als die EU und ihre Institutionen.