Internationale Konferenz "China braucht die Welt, die Welt braucht China" in Peking

14.11.2008
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Internationale Konferenz "China braucht die Welt, die Welt braucht China"

Auf Einladung der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des China Center for Contemporary World Studys konnte ich einen Beitrag „Von der neuen Weltordnung zur Weltnachbarschaftspolitik“ halten. Diese Reise war zwar anstrengend, aber politisch hochinteressant und mit vielen wichtigen Gesprächen angefüllt.


Eine der am meisten erörterten Fragen war die Kluft zwischen dem Verständnis der chinesischen Außenpolitik, dass China noch immer ein Entwicklungsland sei und dem tatsächlichen Umstand, dass China heute in der Weltpolitik eine höchst bedeutende Rolle spielt. Allein die Tatsache, dass China ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates ist, dass Chinas Einfluss in der Weltwirtschaftspolitik gravierend gewachsen ist, China über die besten Beziehungen zur Mehrzahl der Entwicklungsländer verfügt und China nicht in die Kriege unserer Zeit involviert ist, spricht dafür, dass China sich der Verantwortung in der Weltpolitik bewusst werden muss.

Sieben Thesen für europäisch-chinesische Zusammenarbeit zur Neuregelung der globalen Beziehungen
1.Ohne Zweifel erfordern die Folgen der kapitalistischen Globalisierung verbesserte globale Regulierungsmechanismen. Die weltweite Krise der Finanzmärkte, militärische Konflikte und Kriege besonders in Zentralasien, dem Nahen Osten und dem Kaukasus, Hunger und Armutskatastrophen, die Endlichkeit von Energiequellen und der drohende Klimakollaps und vieles mehr sind nicht mehr durch die unbegrenzte Freiheit der Märkte und nationalstaatliches Handeln zu lösen. In dieser Situation müssen internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen gestärkt und reformiert sowie Systeme regionaler Sicherheit aufgebaut werden. Ohne die aktive Mitarbeit und das Engagement Chinas ist keines der weltpolitischen Probleme lösbar.

2.Die Zeit einer unipolaren Weltordnung geht ihrem Ende entgegen. Die Vereinigten Staaten von Amerika, die für sich Weltherrschaft und die Rolle eines Weltpolizisten beansprucht haben, waren weder politisch, sozial, ökonomisch noch moralisch in der Lage, diese Aufgabe auszufüllen. Die USA tragen eine hohe Verantwortung für die Kriege in der Welt, sie sind der Hauptakteur der weltweiten Hochrüstung und das am meisten verschuldete Land der Welt. Die Finanzkrise, das Platzen der gigantischen Spekulationsblase, hatte ihren Ausgangspunkt in den Vereinigten Staaten von Amerika. Doppelte Standards und staatliche Lügen, Abu Ghraib und Guantanamo haben Ansehen und Politik der USA moralisch untergraben. Es darf jetzt nicht um eine neue Runde des Kampfes um Vorherrschaft in der Welt gehen, sondern es muss um die Neuregelung der Beziehungen auf der unbedingten Basis des Völkerrechts und globaler sozialer Gerechtigkeit gehen.

3.Die Alternative zu einer unipolaren Welt ist nicht eine bi- oder tripolare Welt, sondern ein System gleichberechtigter Staaten und Völker und die weltweite Kooperation gleichberechtigter, nichtstaatlicher Akteure. Sicherheit im umfassenden Sinne, militärisch, sozial und ökologisch, ist heute nicht gegeneinander, sondern nur miteinander zu erreichen. Das Ziel der Charta der Vereinten Nationen, Gewalt und bereits die Androhung von Gewalt aus dem Zusammenleben der Völker zu verbannen, ist dringender denn je. Abrüstung muss endlich wieder auf die Tagesordnung der Weltgemeinschaft. Der Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen kann nur dann wirkungsvoll begegnet werden, wenn die Atomwaffenstaaten dazu einen eigenen Beitrag leisten – endlich mit der nuklearen Abrüstung zu beginnen. Die Kriege gegen den Terror sind gescheitert. Terrorismus kann wirkungsvoll bekämpft werden, wenn seine Ursachen – Armut und Unterentwicklung – sozial überwunden werden. Fundamentalismus, gleichgültig welcher Art, ist am besten durch kulturelle Toleranz und Dialog zu begegnen.

4.Im Zentrum einer Reform der internationalen Beziehungen müssen folgende Schwerpunkte stehen:

  • Stärkung des Völkerrechts,
  • Regulierung der Finanzmärkte,
  • Bekämpfung von Hunger, Armut und Massenkrankheiten,
  • Sicherung und Demokratisierung des Zugangs zu Naturressourcen sowie
  • demokratische Teilhabe aller Menschen an wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen und Sicherung ihres Rechtes auf körperliche Unversehrtheit, Bildung und Wohnraum, Information und Selbstorganisation.

Die Summe der Rechte und Werte sind die elementaren Menschenrechte. Die Basis hierfür ist die Charta der Vereinten Nationen und die UNO muss zum Garant dieser Rechte werden. Krieg muss grundsätzlich und real als Mittel der Politik ausgeschlossen werden.


5.Sezession und die Neugründung von Staaten dürfen nur auf der Grundlage gegenseitiger Übereinkünfte und gewaltfrei vonstatten gehen. Der Balkankrieg und die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo haben die „Büchse der Pandora“ geöffnet. Die Unabhängigkeitserklärungen von Südossetien und Abchasien waren unter dien Bedingungen folgerichtig, sind nichts desto trotz jedoch auch völkerrechtswidrig. Die Grenzen vieler Staaten in der Welt tragen das Kainsmal kolonialer Willkür und teilen Völker. Sie zu überwinden bzw. sie durchlässig zu machen bedarf es kultureller und politisch autonomer Rechte. Sie gewaltsam zu verändern, wäre das Ende von Stabilität und gleichfalls wieder Willkür. Die Vereinten Nationen müssen diesem Prozess ohne Ansehen der jeweiligen politischen Ausrichtung entgegentreten.


6.Eine effektive Stärkung der Vereinten Nationen ist ohne ein größeres ökonomisches Gewicht kaum möglich. Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank sollten zu tatsächlichen Organen der UNO umgestaltet werden. Der spekulative Handel mit Aktien, Wertpapieren und Währungen muss einer internationalen Kontrolle unterworfen werden. Bankgeschäfte ohne reale Deckung (sogenannte Warentermingeschäfte und ähnliches) sind zu verbieten. Eine weltweite Steuer auf Börsenumsätze (Tobin-Steuer) ist einzuführen. Die so eingebrachten Gelder sind in einem Fonds zur Armutsbekämpfung zu bündeln. Eine Initiative zur Absenkung von Rüstungsausgaben um jährlich 5 % muss auf die Agenda der Vereinten Nationen. Die Rechte der Vollversammlung gegenüber dem Weltsicherheitsrat sollten gestärkt und die internationale Gerichtsbarkeit ausgebaut werden.


7.Für eine solche politische Neugestaltung gibt es in Europa und in China Möglichkeiten für eine verbesserte Zusammenarbeit. Die deutsch-chinesische Kooperation als Teil der Zusammenarbeit Chinas und der EU hat für den Weltzustand tatsächlich strategische Bedeutung. Deutschland ist während der Olympischen Spiele und in der Tibet-Debatte mit den Gefühlen und der Würde des chinesischen Partners wenig sorgfältig umgegangen. An vielen Orten der Welt konkurriert Deutschland mit China, anstatt zu kooperieren. Manche deutschen Töne in dem Menschenrechtsdialog mit China klingen, unabhängig davon, ob das Anliegen berechtigt ist oder nicht, belehrend und bevormundend. All das sollte sich ändern. Die deutsch-chinesische Kooperation ist ein wichtiger Eckpfeiler für Stabilität und Sicherheit in der Welt.


Von der „neuen Weltordnung“ zur Weltnachbarschaftspolitik

(Redemanuskript – 14. November 2008)
Sehr geehrte Damen und Herren,

die Welt ist erneut in einer Umbruchsituation, die neues Denken, tieferes Nachdenken erfordert. Ich will nur einige Punkte dazu benennen. Die Krise der Finanzmärkte, der drohende wirtschaftliche Abschwung in verschiedenen Regionen der Welt, der Umstand, dass einzelne Länder wie Pakistan, Ungarn oder Island und andere vor dem Staatsbankrott stehen, signalisieren doch unwiderlegbar eines: Der Markt allein ist nicht in der Lage, stabile wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu gewährleisten. Die Forderung nach Regulierung, nach staatlichen Eingriffen in den Markt, über die in den vergangenen drei Jahrzehnten wenig nachgedacht wurde, ist heute in aller Munde. Mit dem Ablauf der Amtszeit des US-Präsidenten Bush geht eine unrühmliche Zeit zu Ende. Die Grundlinien der Politik des neuen US-Präsidenten Obama sind noch in vielen Bereichen undeutlich. Aber seine Wahl ist für die USA eine enorme kulturelle Veränderung und Millionen Menschen in aller Welt verbinden damit die Hoffnung, dass sich die US-Politik von Konfrontation zu Kooperation bewegt.

In der Gegenwart findet China immer mehr weltpolitisches Interesse. Ich denke, dass weltweit verstanden wurde: China ist heute eines der bedeutendsten und dynamischsten Länder der Erde. China ist eine Brücke zwischen den hochentwickelten, kapitalistischen Ländern und den Ländern der so genannten „Dritten Welt“. China ist der größte Gläubiger der USA und wirtschaftspolitisch für alle Regionen der Erde unverzichtbar geworden. China ist nicht in die Kriege der Welt involviert und gerade deshalb in der Lage, zur Beendigung dieser Kriege beizutragen. China ist ständiges Mitglied im Weltsicherheitsrat und eine Reform der Vereinten Nationen ist ohne aktives Engagement Chinas nicht möglich. All das sind gewichtige Argumente, dem deutsch-chinesischen Verhältnis, den Beziehungen der Europäischen Union zu China einen herausragenden Stellenwert einzuräumen.

Oberflächlich betrachtet steht das alte Europa am Rande der weltpolitischen Entwicklungen. Ich sehe das nicht so, denke aber, dass auch eine Neubestimmung der Politik der EU und Deutschlands notwendig ist. Das Verhältnis EU – USA und Russland muss neu ausbalanciert werden. Das darf nicht dazu führen, dass das Verhältnis zu China unwichtiger wird. Im Gegenteil. Ich bin sehr unzufrieden mit dem deutschen Agieren zu den Olympischen Spielen in Peking. Die Position Deutschlands zum Tibet-Konflikt war nicht eindeutig. Zu oft klingen die Töne der deutschen Politik belehrend – in Menschenrechtsfragen, in der Handels- und Ökologiepolitik, zum Umgang mit separatistischen Bewegungen und zur politischen Kultur. Dafür gibt es keinen Anlass. Europäisches Denken und Wahrnehmen ist zum Teil selektiv und unhistorisch. Nicht nur, dass die Entwicklung Chinas Respekt erfordert, sondern Europa wäre gut beraten, seine koloniale Geschichte nicht zu verdrängen und nicht zu vergessen, dass die großen Menschheitskatastrophen, die Weltkriege ihren Ausgang in Europa nahmen.

In den vergangenen Jahren hatte die Forderung nach einer neuen Weltordnung für mich etwas Bedrohliches. Sie war, aus den USA kommend, die Forderung nach einer Neuaufteilung der Welt. Heute sollte die Linke überlegen, ob wir nicht tatsächlich die Forderung nach einer neuen Weltordnung, einer Weltnachbarschaftspolitik aufgreifen sollten. Wenn man über eine neue Weltnachbarschaftsordnung nachdenkt, kann man an dem chinesischen Konzept der „harmonischen Gesellschaft“ nicht vorbeigehen. Der begriff ist für meine westeuropäische Denkweise ungewohnt, der Inhalt hingegen – wenn ich ihn richtig verstehe – wichtig und richtig: Dialog, Kooperation, Nichteinmischung und Gleichberechtigung müssen die Phase der Konfrontation in der Weltpolitik ablösen.

Ohne Zweifel erfordern die Folgen der kapitalistischen Globalisierung verbesserte globale Regulierungsmechanismen. Die weltweite Krise der Finanzmärkte, militärische Konflikte und Kriege besonders in Zentralasien, dem Nahen Osten und dem Kaukasus, Hunger und Armutskatastrophen, die Endlichkeit von Energiequellen und der drohende Klimakollaps und vieles mehr sind nicht mehr allein im nationalstaatlichen Rahmen zu lösen. In dieser Situation müssen internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen gestärkt und reformiert sowie Systeme regionaler Sicherheit aufgebaut werden. Ohne die aktive Mitarbeit und das Engagement Chinas ist keines der weltpolitischen Probleme lösbar.

Die Zeit einer unipolaren Weltordnung geht ihrem Ende entgegen. Die Vereinigten Staaten von Amerika, die für sich Weltherrschaft und die Rolle eines Weltpolizisten beansprucht haben, waren weder politisch, sozial, ökonomisch noch moralisch in der Lage, diese Aufgabe auszufüllen. Die USA tragen eine hohe Verantwortung für die Kriege in der Welt, sie sind der Hauptakteur der weltweiten Hochrüstung und das am meisten verschuldete Land der Welt. Die Finanzkrise, das Platzen der gigantischen Spekulationsblase, hatte ihren Ausgangspunkt in den Vereinigten Staaten von Amerika. Doppelte Standards und staatliche Lügen, Abu Ghraib und Guantanamo haben Ansehen und Politik der USA moralisch untergraben. Es darf jetzt nicht um eine neue Runde des Kampfes um Vorherrschaft in der Welt gehen, sondern es muss um die Neuregelung der Beziehungen auf der unbedingten Basis des Völkerrechts und globaler sozialer Gerechtigkeit gehen.

Die Alternative zu einer unipolaren Welt ist nicht eine bi- oder tripolare Welt, sondern ein System gleichberechtigter Staaten und Völker und die weltweite Kooperation gleichberechtigter, nichtstaatlicher Akteure. Sicherheit im umfassenden Sinne, militärisch, sozial und ökologisch, ist heute nicht gegeneinander, sondern nur miteinander zu erreichen. Das Ziel der Charta der Vereinten Nationen, Gewalt und bereits die Androhung von Gewalt aus dem Zusammenleben der Völker zu verbannen, ist dringender denn je. Abrüstung muss endlich wieder auf die Tagesordnung der Weltgemeinschaft. Der Gefahr der Weiterverbreitung von Atomwaffen kann nur dann wirkungsvoll begegnet werden, wenn die Atomwaffenstaaten dazu einen eigenen Beitrag leisten – endlich mit der nuklearen Abrüstung zu beginnen. Die Kriege gegen den Terror sind gescheitert. Terrorismus kann wirkungsvoll bekämpft werden, wenn seine Ursachen – Armut und Unterentwicklung – sozial überwunden werden. Fundamentalismus, gleichgültig welcher Art, ist am besten durch kulturelle Toleranz und Dialog zu begegnen.

Im Zentrum einer Reform der internationalen Beziehungen müssen folgende Schwerpunkte stehen:

  • Stärkung des Völkerrechts,
  • Regulierung der Finanzmärkte,
  • Bekämpfung von Hunger, Armut und Massenkrankheiten,
  • Sicherung und Demokratisierung des Zugangs zu Naturressourcen sowie
  • demokratische Teilhabe aller Menschen an wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen und Sicherung ihres Rechtes auf körperliche Unversehrtheit, Bildung und Wohnraum, Information und Selbstorganisation.

Die Summe der Rechte und Werte sind die elementaren Menschenrechte. Die Basis hierfür ist die Charta der Vereinten Nationen und die UNO muss zum Garant dieser Rechte werden. Krieg muss grundsätzlich und real als Mittel der Politik ausgeschlossen werden.

Sezession und die Neugründung von Staaten dürfen nur auf der Grundlage gegenseitiger Übereinkünfte und gewaltfrei vonstatten gehen. Der Balkankrieg und die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo haben die „Büchse der Pandora“ geöffnet. Die Unabhängigkeitserklärungen von Südossetien und Abchasien waren unter diesen Bedingungen folgerichtig, sind nichts desto trotz jedoch auch völkerrechtswidrig. Die Grenzen vieler Staaten in der Welt tragen das Kainsmal kolonialer Willkür und teilen Völker. Sie zu überwinden bzw. sie durchlässig zu machen bedarf es kultureller und politisch autonomer Rechte. Sie gewaltsam zu verändern, wäre das Ende von Stabilität und gleichfalls wieder Willkür. Die Vereinten Nationen müssen diesem Prozess ohne Ansehen der jeweiligen politischen Ausrichtung entgegentreten. Das gilt auch und ohne Einschränkung für Tibet. Die chinesische „Ein-Staaten-Politik“ ist ein wichtiger Stabilitätsfaktor in der heutigen Welt.

Eine effektive Stärkung der Vereinten Nationen ist ohne ein ökonomisches Gewicht kaum möglich. Der Internationale Währungsfonds und die Weltbank sollten zu tatsächlichen Organen der UNO umgestaltet werden. Der spekulative Handel mit Aktien, Wertpapieren und Währungen muss einer internationalen Kontrolle unterworfen werden. Eine Initiative zur Absenkung von Rüstungsausgaben muss auf die Agenda der Vereinten Nationen. Die Rechte der Vollversammlung gegenüber dem Weltsicherheitsrat sollten gestärkt und die internationale Gerichtsbarkeit ausgebaut werden.

Eine solche politische Neugestaltung bietet Europa und China neue Möglichkeiten für eine verbesserte Zusammenarbeit. Die deutsch-chinesische Kooperation als Teil der Zusammenarbeit Chinas und der EU hat für den Weltzustand tatsächlich strategische Bedeutung. Die deutsch-chinesische Kooperation ist ein wichtiger Eckpfeiler für Stabilität und Sicherheit in der Welt.